Uniform

Zulatzt bearbeitet am 18. November 2021 von

Die Uniform der Stadtgarde zu Pferd Tübingen

Das 1822 anlässlich eines Besuches von König Wilhelm I. von Württemberg gegründete „Stadt-Reutter-Corps“ setzte die jahrhundertealte Tradition des wehrhaften Tübinger Bürgers fort. Eine behördliche Genehmigung zur Aufstellung der Stadtgarde wurde am 3. September 1823 gegeben. Nach einer farbigen Lithographie von H. Baumann aus dem Jahre 1830 (im Besitz der Städt. Sammlungen Tübingen) bestand die damalige Uniform aus einem dunkelblauen Schoßrock im Schnitt der württembergischen Militäruniform, ohne Aufschläge, Kragen und Ärmelvorstöße schwarz paspeliert. Knöpfe gold, Epauletten weißmetallen, von der linken zur rechten Schulter auf der Brust getragen weiße Fangschnüre. Hosen dunkelblau. Die Kopfbedeckung bildete ein Zweispitz, für Stadtreiter mit schwarzem Federbusch, Trompeter schwarz-rot, Chargen schwarz-weiß, Kommandant weiß. Bandelier und Koppel schwarz mit goldenem Schloss bzw. Beschlägen, Säbel nach Kavalleriemuster an Schleppriemen getragen. Die Satteldecke war dunkelblau mit roter Einfassung. Die Stadtreiter waren im Jahre 1831 mit Säbeln und Karabinern bewaffnet, wie aus einer zeitgenössischen Bekanntmachung hervorgeht. Im Revolutionsjahr 1848 erfolgt auf Drängen der Reaktion die Auflösung. Im Jahre 1856 wurde das alte „Stadtreutterkorps“ als Stadtgarde zu Pferd Tübingen neu gegründet, 1863 erhielt sie das Musikkorps. Die heute getragene Uniform entspricht fast genau dem 1864 nach österreichischen Muster in der württembergischen Armee eingeführten Modell. Eine Eigenheit stellen allerdings die spitzen Ärmelaufschläge nach polnischer Art sowie die Panzerepauletten dar, die zweifellos von der nach Einführung des Waffenrocks 1850-1864 getragenen Kavallerieuniform übernommen worden sind. Man kann gerade bei den Uniformen von Bürgerwehren, -Garden und -Milizen heute als Kenner der militärischen Kostümkunde immer wieder feststellen, dass Altes und Neues miteinander wohl bewusst „gemixt“ wurden, um eine Differenzierung zum Linienmilitär zu erzielen. Als man im Königreich Württemberg 1871 die seitherigen „Reiter-Regimenter“ umwandelte in zwei Dragoner-Regimenter (mit weißen und gelben Abzeichen) und zwei Ulanen-Regimenter (mit roten und gelben Abzeichen), und als man 1892 in der württembergischen Armee statt des zweireihig geknöpften Waffenrocks den einreihigen einführte, bewahrten die Stadtgarden zu Pferd Tübingen und Stuttgart das alte äußere Erscheinungsbild einer Epoche, die mit dem Anschluss an den norddeutschen Bund versunken war. Insofern ist die von Tübinger Stadtreitern getragene Uniform mehr als eine reine Äußerlichkeit.

Die „große Uniform“ der Stadtgarde

Die in der beigefügten Abbildung dargestellte Paradeuniform des Korps „Stadtgarde zu Pferd Tübingen e.V.“ besteht aus einem niederen Tschako mit weißmetallenen Beschlägen, Kokarde und weißem Haarbusch. Der Waffenrock im Ulankaschnitt ist dunkelblau mit weißen Vorstößen und Nähten mit silbernen Knöpfen. Die Hose ist schwarzblau mit breiten weißen Lampassen neben der Seitennaht. Auf den Schultern Panzerepauletten von Neusilber, rechts eine weiße Fangschnur. Die Leibbinde ist von weißem Gurtstoff, zweimal blau durchzogen. Das Kartuschbandelier ist von schwarzem Leder, der Kartuschkasten ist mit einem rautenförmigen Beschlag aus vernickeltem Messing verziert, darauf das Stadtwappen aus Messing. Der Stadtgardist trägt weiße Handschuhe, seine Bewaffnung ist ein Kavalleriesäbel in blanker Stahlscheide, Faustriemen schwarzrot, Unterschnallkoppel schwarz.

Die Chargen tragen goldene Tressen an Kragen und Ärmelaufschlägen, der Vizewachtmeister zusätzlich kupferne Wappenknöpfe alt­württembergischer Prägung an beiden Kragenspiegeln. Die Epaulettenhalter sind aus silberdurchwirktem Stoff. Als besondere Distinktion tragen die Offiziere auf Kragen und Ärmelaufschlägen silberne Kolbenstickerei, silberne Fangschnüre, Panzerepauletten mit Silberdraht-Halbmonden und ggf. Rangsternen, Bandelier mit Silbertressenbesatz, silberne Leibbinde, schwarz-rot durchzogen, silbernes Schloss mit gekröntem „W“ und silbernes Portepé. Das Trompeterkorps ist durch rote Haarbüsche und Schwalbennester ausgezeichnet, der Stabstrompeter trägt eine rote Feldbinde. Paradebehang der Fanfaren bilden Fanfarentücher, Vorderseite weiß mit dem Stadtwappen, Rückseite dunkelblau mit Emblem und Stickerei „Stadtreiterkorps Tübingen“. Die Paradebehänge der Kesselpauken zeigen die gleichen Motive im Wechsel auf weißem bzw. blauem Grund.

Im Jahre 1952 wurde dem Korps von Herzog Philipp von Württemberg wieder eine Standarte verliehen, die an einer Querstange befestigt ist. Die Vorderseite zeigt auf weißem Grund das Tübinger Wappen und die Stickerei „Stadtgarde zu Pferd Tübingen – 1514“, die Rückseite auf rot das württembergische Königswappen und die Devise „Hie gut Württemberg Allweg“ sowie die Jahreszahl „1952“ und den Vermerk „gestiftet von Herzog Phi­lipp“. Die Standarte wird an einem rot eingefassten, mit Silbertresse besetzten Bandelier getragen, das in der Mitte einen gelbroten Streifen aufweist.

Zur Pferdeausrüstung gehören neben Sattelzeug und Kopfgeschirr eine dunkelblaue Sattelüberlegdecke mit weißer Streifeneinfassung.

Als „zweite Garnitur“, vor allem während der Teilnahme an Turnieren, tragen die Stadtreiter eine blaue Schirmmütze mit weißem Randstreifen und Deckvorstoß, Kokarden in Stadt- und Landesfarben, ferner Rock, Reithose, Reitstiefel mit Sporen und weiße Handschuhe. Zu beiden Bekleidungsarten wird im Winter ein Mantel getragen.

Möchte auch in Zukunft die Uniform der Stadtgarde zu Pferd Tübingen ein Symbol für die von ihr übernommene Tradition der Vergangenheit und eine Erinnerung an das Erbe ihrer Vorfahren sein, das von denen, die diese Uniform vorher getragen haben, übergeben wurde. Es ist ein Erbe von Vollkommenheit, in dem sich Gemeinschaftssinn, Standfestigkeit, Ehre und selbstlose Hingabe an die Heimat vereinen.

 

Peter Wacker
Germering/Obb
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